Bildentstehung
14. Mai 2013
Brigitte Grawe
Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.
Heraklit

Im Gegensatz zur Malerei, die auf der leeren Leinwand etwas völlig Neues entstehen lässt, ergeben sich meine Bilder allein durch Veränderung bereits bestehender Objekte (Fotografien, bzw. Dateien). Panta rhei – alles fließt, dieser Gedanke ist ein für mich wichtiger philosophischer Hintergrund meiner Kunst, da er ein wesentliches Merkmal dieser Welt und allen Seins widerspiegelt.

Jede Ausgangsfotografie ist die Quelle eines Bilderflusses und in jedem Stadium der Bearbeitung wiederverwendbar. Genau darin liegt das Einzigartige der Computerkunst. Welcher Maler oder Bildhauer kann schon seine Kunstwerke beliebig oft komplett verändern, bzw. immer oder sogar unendlich weiterentwickeln. Das ginge nur, wenn man das eine Bild für ein anderes zerstören würde.

Am Anfang steht also immer eine eigene Fotografie.

Zu Beginn meines künstlerischen Schaffens war ich dazu mit meiner kleinen Digicam fast ausschließlich in der Natur unterwegs. Ich machte Aufnahmen von Blüten und anderen Pflanzen sowie Wolken. Im Laufe der Zeit und Entwicklung begann ich dann für meine Kunst beinahe alles zu fotografieren, ausgenommen Menschen und Tiere. Etwas Lebendiges am PC zu verändern, widerstrebte mir von Anfang an. Das ist bis heute so geblieben.

Teilweise arrangierte ich gezielt geeignete Objekte, um später am PC mit diesen Materialstrukturen zu experimentieren. Ich fotografierte beispielsweise Kerzen, Muscheln und Schneckenhäuser, Stoffe, Perlen und andere Dekomaterialien. Manchmal inspirierten mich ganz profane Dinge wie Trinkhalme oder eine Esskette. Im Laufe der Zeit bekam ich einen Blick für das richtige Foto für meine Kunst. Nicht alles eignet sich für die später per Software notwendigen Veränderungsprozesse.

Dank meiner Arbeit als Fotografin kann ich heute auf eine
reichhaltige Auswahl verschiedenster Bilddateien zurückgreifen.

Ich muss nicht mehr extra losziehen, um neue Inspiration zu finden. Nach jeder Fotosession werden alle Fotografien digital gespeichert, sortiert, gesichtet und – da ich im RAW Format fotografiere – zunächst ganz normal bearbeitet. Bei Bedarf suche ich aus diesem Kontingent für das eigentliche künstlerische Arbeiten geeignete Aufnahmen aus.

Doch wie genau entsteht
nun so ein Bild?

Rein technisch gesehen, entstehen alle COMPUSITIONEN durch Bearbeitung eines Fotos mit professioneller Bildbearbeitungs-Software. Zum Einsatz kommen verschiedenste Programme. Mit diesen ‘Werkzeugen‘ wird das jeweilige Ausgangsfoto in vielen, vielen Schritten wieder und wieder verändert. In seinem Ursprung ist es später gar nicht mehr oder kaum noch erkennbar. Es entsteht etwas völlig Neues daraus.

Für mich ist das ein ganz normaler Arbeitsprozess. So wie Maler mit Pinsel und Farbe oder der Bildhauer mit Hammer und Meissel seine Kunstwerke entstehen lässt, erschaffe ich meine Bilder mit Technik. Doch letztlich liegt nicht weniger Seele darin, als in von Hand gefertigte Kunst.

 

 

Neben meiner Computersoftware benötige ich auch einiges an Hardware. Auf dem Foto oben sehen Sie den aktuellen Stand. Mehrere Computer und (Spezial)Monitore, ein Grafiktablett, Drucker haben sich im Laufe der Zeit und künstlerischen Weiterentwicklung als notwendig erwiesen. Dazu kommt noch das Equipment für die Fotografie. Mit all diesen Dingen zu arbeiten ist für mich unglaublich inspirierend. Je mehr mir zur Verfügung steht, desto kreativer bin ich.

Ich werde oft gefragt, wie lange
ich an einem Bild arbeite.

Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Fast alle Werke sind mindestens einige hunderte Male bearbeitet, bzw. verändert worden. In meinem Gesamtwerk sind nicht wenige Bilder, die im Laufe der Zeit mehrere Tausend Veränderungsprozesse durchliefen. Ausnahmen, bei denen einige wenige Transformierungen zu einem tollen Bild führen, gibt es natürlich auch.

Das hängt u.a. sehr stark mit dem zugrunde liegenden Bildmaterial zusammen. Dazu kommt, dass es sich immer wieder von selbst ergibt, auch ältere Motive erneut aufzugreifen. D.h., keines meiner Bilder ist als ‘fertig’ anzusehen, sondern einem stetigen Wandel unterzogen.

Jede einzelne Transformation speichere ich ab.

So dokumentiere ich jeden Bilderfluss um den jeweiligen Entwicklungsprozess jederzeit nachvollziehen zu können. Darüber hinaus bietet es mir die Möglichkeit diese Momentaufnahmen erneut künstlerisch aufzugreifen. In der Regel entsteht daraus dann etwas völlig anderes als zuvor.

So sind die Bilderflüsse immer wieder spannend in ihrem Verlauf und ihrer Vielfalt. Bei einer meiner Ausstellungen wurde per Beamer eine entsprechende Diashow in Endlosschleife gezeigt. Das fand großes Interesse bei den Besuchern, einer von ihnen kam gleich dreimal um fasziniert die Entstehung meiner Bilder anzusehen.

Die folgende Galerie zeigt ein Beispiel für so einen Bilderfluss.

Natürlich zeige ich hier nur eine kleine Auswahl daraus, die demonstriert, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausgehend von einem Foto aussehen können. Zum öffnen der Galerie das erste Bild anklicken:

 

Die Motive der Ausgangsfotografie hatten zu Beginn meines künstlerischen Schaffens keine besondere Bedeutung. Ich arbeitete zunächst ausschließlich mit Naturbildern, weil ich die Oberflächenstruktur von Pflanzen für die Transformationen als besonders geeignet empfand. Die Motive an sich hatten keine weitere Bedeutung.

Das änderte sich jedoch im weiteren Verlauf. Ich stellte  immer häufiger einen Zusammenhang zwischen Ursprungsmotiv und den später daraus entstandenen Kunstwerken fest. Das passierte, ohne dass ich es im Schaffensprozess bewusst herbeiführte.

Jegliche Entstehung von Kunst beginnt im Gehirn; findet also ihren Ursprung im Unterbewusstsein. Daher bezeichne ich mein künstlerisches Arbeiten auch als “bildgebendes Verfahren meines Unterbewusstseins“.

Dank heutiger Drucktechniken ist es mir möglich, diese

digitalen Dateien in ein haptisches Bild umzuwandeln.

Erst der Druck erschließt die besondere Wirkung meiner Kunst. Auf ‚fine-art-printing‘ spezialisierte Druckereien arbeiten mit modernster, computergesteuerter Technik und bieten ausgesuchte Sortimente hochwertiger Druckmaterialien. Ausgehend vom Digitalfoto über den Bildentstehungsprozess bis hin zum haptischen Bild entsteht somit alles auf ausschließlich digitalem Wege. Und doch ist es ein Kunstwerk mit Seele.

Auf Ausstellungen ist es immer für die Besucher von großem Interesse zu sehen, woraus die jeweiligen Bilder entstanden sind. Die Verblüffung ist vorprogrammiert; nur äußerst selten lässt sich der Ursprung zum ausgehenden Fotomaterial erahnen. So lautete einmal die Überschrift eines Zeitungsartikels zu einer meiner Ausstellungen “Blumentopf, digital verfremdet”.

Medienkunst ist einfach mein Ding!

Das Werkzeug Computer ist für mich mehr als ideal. Auch nach nunmehr 14 Jahren hat sich daran nichts geändert. Es vereint, was mich fasziniert und verkörpert auf ideale Weise den  philosophischen Hintergrund meiner Kunst.

Panta rhei; nicht nur die Arbeitsweise an sich, sondern auch die sich ständig weiterentwickelnden technischen Möglichkeiten halten meine künstlerische Arbeit im Fluss. Und damit bin ich glücklich. Auch wenn ich mir ein Atelier eingerichtet habe, um mal wieder zu malen, wird sich daran nichts ändern.

Nachtrag: Jahre später ist die Fotografie mehr als nur Leidenschaft. Inzwischen – ca. 500.000 Fotos später – bin  ich Auftragsfotografin und gebe Fotokurse.

Meine Kunst hat sie Gott sei Dank nicht verdrängt. Beiden Bereichen komme ich mit gleicher Leidenschaft nach. Ich bin glücklich darüber, den quälenden Prozess hinter mir gelassen zu haben, mich vielleicht für das Ein oder Andere entscheiden zu müssen. Beides gehört zu mir, und das ist auch gut so. Ich könnte weder ohne meine Kunst noch ohne Fotografie leben. Es sind sozusagen meine Beine.

Schauen Sie doch einmal auf meinen  Fotowebseiten vorbei:

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