Gehirnforschung
7. September 2013
Brigitte Grawe

Das Gehirn ist wohl das faszinierendste, komplexeste Organ

und Forschungsobjekt aller Zeiten.

Früh begann sich die Wissenschaft dafür zu interessieren. Bei meinen Recherchen erfuhr ich, dass die ersten hirnanatomischen Erkenntnisse bereits in prähistorischer Zeit erlangt wurden.

In 1550 vor Christus in Agyptien verfassten ist überliefertes Wissen über das Gehirn Schriften belegt. Es handelt sich dabei um das “Papyrus Edwin Smith” (Wundenbuch). Das sind die ältesten medizinischen Dokumente der Geschichte.

Ägyptische Hieroglyphen für das Gehirn:

Hieroglyphic-brain

Tux-Man, CC0, via Wikimedia Commons

 

Im Mittelalter wurden anatomische Studien aus religiösen und ethischen Gründen in Europa verboten. Im arabischen Raum hingegen wurde Gehirnforschung als fortschrittlichste Disziplin der Medizin angesehen und entsprechend betrieben.

Erst in der Renaissance, wurden wieder anatomische Sektionen

vorgenommen und dadurch neue Erkenntnisse gewonnen.

Leonardo da Vinci leistete in dieser Zeit bedeutende Beiträge zu einer realistischeren Darstellung anatomischer Strukturen, da er als erster Anatom Hirnschnitte zeichnete. In seinen Notizen fand man u.a. eine Anleitung für den Bau eines künstlichen Herzens.

Da Vinci goss dazu ein Ochsenherz mit Wachs aus und erstellte anhand dessen ein Glasmodell. Dieses füllte er mit Wasser und Hirsesamen. So konnte er die Strömungslinien des Blutes durch das Herz erkunden.  Erst Anfang 1700 entdeckte man die elektrische Leitfähigkeit von Nerven.

Ca. 1900 gründete der 1870 geborene Wissenschaftler Oskar Vogt mit dem ‘Kaiser Wilhelm Institut für Hirnforschung’ in Berlin das erste Hirnforschungsinstitut der Welt.

Das 20. Jahrhundert wurde dank EEG, MRT und fMRT zum Jahrhundert der Gehirnforschung.

Nun konnte das Gehirn untersucht werden, ohne dass die Schädeldecke geöffnet werden musste. Doch die meisten und bahnbrechendsten Fortschritte erzielte man in den letzten 13 Jahren – mehr als in 100 Jahren zuvor!

Dies liegt nicht zuletzt an den Möglichkeiten heutiger bildgebender Verfahren. Neurologen messen Hirnströme und ordnen sie bestimmten Regionen zu. Diese Daten, umgewandelt in Bilder, geben einen plastischen Eindruck von der Arbeit des menschlichen Gehirns wieder.

Das Gehirn ist eines unserer aktivsten Organe.

Es kontrolliert lebenswichtige Körperfunktionen und steht mit allen Körperteilen in Verbindung. Obwohl es nur rund 2% unserer gesamten Körpermasse ausmacht, besitzt es aufgrund spezieller Strukturen eine insgesamt riesige Oberfläche und außergewöhnlich enorme Kapazitäten.

So sind die Nervenbahnen im Gehirn insgesamt 5,8 Millionen Kilometer lang und verbrauchen zur Energieversorgung 20 Prozent des Sauerstoffs, den wir einatmen. Nach aktuellen Schätzungen besteht das menschliche Gehirn aus 100 Milliarden bis zu einer Billion Nervenzellen, sog. Neurone, die jede einzelne wiederum bis zu 10.000 Synapsen bildet.

Das sind Verknüpfungen, über die sie ihre Aktivitäten verbreiten und Signale austauschen, die unser Denken, Handeln und Empfinden steuern. Wird ein Neuron aktiv, werden an den Synapsen Neurotransmitter freigesetzt, die in den Empfängerzellen ein Signal induzieren.

Diese Empfängerzelle wird bei ausreichenden Eingangssignalen selbst

aktiviert und leitet ihre Botschaft wiederum an andere Zellen weiter.

Da jedes einzelne Neuron sehr viele Synapsen bildet und umgekehrt auch von sehr vielen Neuronen Eingangssignale erhält, entsteht ein hoch komplexes Netzwerk. So werden 200.000 Impulse gleichzeitig verarbeitet – und das blitzschnell!

 

Aufgeteilt ist das Gehirn in verschiedene Bereiche: Die Großhirnrinde ist ein riesiger Datenspeicher, in dem das Zentrum unseres Denkens liegt. Das Kleinhirn ist verantwortlich für Gleichgewicht und Koordination unserer Bewegungen. Das Zwischenhirn ist die zentrale Schaltstation für Körperfunktionen.

Im limbischen System findet Verarbeitung von Emotionen und Entstehung von Triebverhalten statt. Auch intellektuelle Leistungen werden dieser Hirnregion zugesprochen.

Das wohl spannendste Forschungsprojekt dazu ist für mich das Human Brain Project.

Ziel ist es, das menschliche Gehirn als Modell in einem Computer nachzubauen. Supercomputer der neuesten Generation sollen die Arbeit des Gehirns simulieren. Es ist eines der größten Forschungsprojekte aller Zeiten; ein 1,2 Milliarden teures Programm der EU. Die Gelder werden verteilt über die nächsten 10 Jahre fließen.

80 Forschungseinrichtungen unterschiedlichster Fachrichtungen aus Europa, Japan, Israel und den USA  beteiligen sich daran. Koordiniert wird das Ganze in der Schweiz; an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (Ecole Polytechnique Fédérale).

Henry Markram ist der Kopf des Human Brain Projects.

Eines der Zentren des Human Brain Projects ist das Forschungszentrum  Jülich. Hier entsteht u.A. im Supercomputerzentrum der benötigte Superrechner; Juqueen, dem derzeit leistungsstärksten Rechner Europas werden deutlich stärkere folgen. Am Ende wird das Projekt eine Rechnerleistung von ca. 1000 Petaflops benötigen. Zum besseren Verständnis;  1 Petaflop entspricht 1 Billiarde Rechenschritte. Eine unfassbare Größeneinheit ..

Literatur- und Linkliste

  • Vilayanur Ramachandran: Eine kurze Reise durch Geist und Gehirn. – rororo, 2005. – ISBN 978-3-499-61987-8
  • Christa Maar, Ernst Pöppel und Thomas Christaller (Hg.): Die Technik auf dem Weg zur Seele. Forschungen an der Schnittstelle Gehirn/Computer. – Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1996. – ISBN 3-499-60133-8

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