Wenn Glückshormone Samba tanzen
4. Juni 2014
Brigitte Grawe

Nun ist es bald soweit; in wenigen Wochen steht der Umzug an.

Wie lange ich von einem neuen Zuhause geträumt habe, kann ich gar nicht mehr sagen. Und nun erfüllt sich auf einen Schlag so Vieles, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Wer mich kennt weiß, dass ich seit langem unter der jetzigen Wohnsituation leide. Das ehemals wunderschöne Viertel ist nicht mehr das, was es einmal war.

Die Lage am Stadtrand direkt an der Natur und mit guter Infrastruktur  ist unverändert schön. Doch leider hat sich hier zunehmend eine Nachbarschaft breit gemacht, die man als solche gar nicht mehr bezeichnen kann. Das mich umgebende Niveau sinkt von Jahr zu Jahr. Was ich hier so manchmal erlebe macht mich mitunter fassungslos und zuweilen krank.

Wir Künstler sind ja eh ein feinsinniges Völkchen,

da ist so ein Zustand schier unerträglich.

Ganz zu schweigen davon, dass man in so einer Umgebung nicht gut kreativ arbeiten kann. Umso glücklicher bin ich nun über die anstehende Veränderung, und es kommt mir so vor, als wäre das neue Zuhause eine Entschädigung für erlittene Qualen.

In wenigen Wochen wird der Wohntraum schlechthin bezogen; 150 qm verteilt auf sieben Räume. Man gönnt sich ja sonst nichts. D.h. aber auch, wir werden richtig viel Arbeit haben. „Va nüs kütt nüs”, wie man in Aachen sagt. Doch das Planen und Einrichten macht riesige Freude.

Jeder Raum soll ein eigenes Farbkonzept bekommen, und nicht zuletzt dadurch für Wohlbefinden sorgen. ‘Zuhause’ bedeutet für mich, eine Oase des Alltags, ein Rückzugsort genauso wie Raum für Lebendigkeit und Freude. Und mit einem solchen Ziel vor Augen ist die damit verbundene Arbeit halb so schlimm. Die Suche nach der neuen Bleibe hat intensiv Zeit in Anspruch genommen, und die Kunst auf Eis gelegt. Das wird sich auch in den nächsten Wochen nicht ändern. Doch es lohnt sich, alle anstehenden Reisen und Projekte erst einmal verschoben zu haben.

Das Wichtigste im neuen Haus; endlich habe ich für meine so gewachsene Kunst richtig viel Platz.

Gleich zwei Räume im Dachgeschoss sind allein dafür vorgesehen. Jeder Künstler, jede Künstlerin weiß, wie wichtig eine schöne WohlfühlAtmosphäre für Kreativität ist. Nur so kann sie sich ungehindert entfalten. Die nicht gerade wenigen anstehenden und teils größeren Projekte können endlich mit ganz viel Elan angegangen werden. Und darauf freut sich meine Künstlerinnenseele.

Ich kann es mir schon gut vorstellen, wie ich unter dem Dach sitze und arbeite, zwischendurch aus dem Fenster schaue, Ruhe und Aussicht genieße …

Aber noch etwas sehr Besonderes geht mit dem Umzug in Erfüllung; ich bekomme ein Bibliothekszimmer!

Auch das war schon immer ein Traum. Seit meiner Jugend habe ich mir das immer wieder ausgemalt; Bücherregale vom Boden bis zur Decke; und eine Leiter dazu. Und natürlich sollte ein behagliches Sitzmöbel nicht fehlen. Bei all diesen Träumereien ging ich aber immer davon aus, dass dieser Wunsch wohl eher unerfüllt bleiben würde.

Und wenn man Kinder hat, fehlt in jungen Jahren in der Regel der Platz dafür. Eine vage Hoffnung hatte ich lediglich in Bezug auf die geplante Auswanderung nach Schottland, aber nur eine gaaaaanz klitzekleine. So ein Cottage in den Highlands, und dann eine Bibliothek mit offenem Kamin und gemütlichem Kuschelsessel … Man wird ja wohl träumen dürfen.

Als wir das Haus besichtigten, und überlegten, wie man die vielen Räume aufteilen könnte, dachte ich zunächst gar nicht daran. Erst am Abend wurde mir plötzlich bewusst, welcher Wunsch sich damit erfüllen lässt. Und doch brauchte es etwas Zeit, bis es sich real anfühlte. An manchen Tagen kommt es mir immer noch vor, als sei es nichts als ein schöner Traum. Nun plane ich das Wandregal, das zunächst eine komplette Raumseite einnehmen soll, spätere Erweiterung nicht ausgeschlossen.

Da meine Familie der Gattung der Bücherwürmer angehört,

hat sich im Laufe der Zeit ganz schön was angesammelt.

Zum Großteil sind die meisten Bücher aus Platzmangel seit Jahren in Kisten verpackt. Das wird sich nun Gott sei Dank ändern. Das heißt aber auch, von der platzsparenden elektronischen Publikationsform interessanter Literatur Abschied zu nehmen, und statt der Festplatte nun wieder Regale zu füllen.

So praktisch es auch sein mag, geht doch nichts über das Gefühl, ein Buch in der Hand zu halten, darin zu blättern und mit Randnotizen zu versehen.Doch aller guten Dinge sind drei. Die Tatsache, dass es zukünftig ein Gästezimmer geben wird, ist ein weiterer Pluspunkt. Ein Teil der Familie und auch die meisten Freunde leben teils mehr oder weniger entfernt von Aachen, bzw. dem neuen Wohnort.

Da ist es doch schön, wenn man nach einem geselligen Abend

oder bei schlechtem Wetter nicht mehr nach Hause fahren muss.

Der Einrichtung dieses Raumes wird eine besondere Liebe zuteil werden, denn was gibt es Schöneres als Familie und Freunde zu Gast zu haben? Gerade in unserer Schnelllebigkeit ist gemeinsam verbrachte Zeit etwas sehr Kostbares und sollte gepflegt werden. In der aktuellen Wohnsituation habe ich dazu kaum noch Lust gehabt. Das ist nicht nur schade, sondern ein echtes Manko.

In Anbetracht dessen, dass ich einer Großfamilie entstamme – ich habe vier Geschwister – ist das richtig traurig. So oft habe ich mich in den vergangenen Jahren danach gesehnt, mit der ganzen Familie mal wieder bei mir Zuhause feiern zu können. Besonders an Weihnachten war der Wunsch immer größer geworden. Doch das ging schon aus Platzgründen nicht. Nun kann ich es kaum erwarten, noch in diesem Jahr alle unter meinem Weihnachtsbaum zu versammeln; mit Kind und Kegel.

Nun warten also frisch renovierte, lichtdurchflutete Räume darauf,

mit Leben, Büchern und Kunst gefüllt zu werden.

Die Lage des Hauses ist eine ländliche; ein Dorf mit ca. 7000 Einwohnern. Obwohl wir bereits fast 10 Jahre in der Eifel gelebt haben, musste ich mich mit diesem Gedanken erst vertraut machen. Doch der Ort hat einen ganz speziellen Charme, dem ich erst bei einem Spaziergang erlag. Es war sozusagen Liebe auf den zweiten Blick.

Und wie es nun mal so ist mit uns Künstlern, erwachte sofort der Wunsch, dies mit der Kamera einzufangen. Und das wird dann wohl mein erstes Projekt im neuen Leben sein. Mit einer kleinen Ausstellung dazu möchte ich mich dann meinen neuen Nachbarn vorstellen. Und es scheint, als habe ich eine Möglichkeit dazu bereits aufgetan.

Nun sind die Wochen bis zum Einzug gezählt.

Zeit genug, alles in Ruhe vorzubereiten. Das damit verbundene Glück kann ich immer noch nicht wirklich fassen. Von Zeit zu Zeit erscheint es mir wie ein schöner Traum, aus dem ich gleich erwache. Ich könnte den ganzen Tag singen und habe bei so viel Vorfreude ganz schön Mühe still zu sitzen. Das bevorstehende neue Leben macht mich ganz quirlig. So ist es wohl, wenn Glückshormone Samba tanzen …

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