Artistic research
14. Mai 2013
Brigitte Grawe

Artistic research – künstlerische Forschung

Wissenschaftler nutzen Kunst zu Forschungszwecken.
Auch Künstler können an und mit ihrer Kunst ernsthaft forschen.

“Künstlerische Forschung bezeichnet eine spezifische Kunstpraxis … bei der die Künstlerinnen und Künstler selbst als Forschende agieren und ihre Resultate in Form von Kunstprodukten darstellen. Dabei gehen sie von einer konkreten Fragestellung aus und verfolgen einen eigenen erkenntnistheoretischen und methodischen Ansatz, mit dem sie sich sowohl von der wissenschaftlichen Forschung als auch von der allgemeinen Kunst unterscheiden.”

So definieren Corina Caduff* und Tan Wälchli* den Begriff ‚künstlerische Forschung‘ im Vorwort zum sechsten Band des Zürcher Jahrbuch der Künste (2010): „Kunst und künstlerische Forschung“. Als ich davon das erste Mal las, war ich begeistert und beruhigt zugleich.

Denn je mehr wissenschaftliche Literatur ich verschlungen hatte und je weiter meine künstlerische Entwicklung voranschritt, desto öfter hatte auch ich bereits den Wunsch verspürt, mit meiner Kunst wissenschaftlich zu arbeiten. Diese Gedanken wurden immer konkreter und warfen Fragen auf – viele Fragen!

Können Künstler tatsächlich forschen? Kann ich forschen?

Wie genau definiert sich ‚Wissenschaft‘ eigentlich? Gibt es festgelegte Kriterien? Und wenn ja, wie weit sollte, könnte oder müsste dies dann auch für mich gelten? Könnte ich auch meine eigene Definition anwenden? Im o.g. Jahrbuch fand ich Antworten auf diese und andere Fragen.

Ein besonderes Interesse wecken jene Bereiche, in denen Kunst Erkenntnisse und Methoden der Wissenschaft aufgreift und für ihre gestalterischen Zwecke benutzt. Für Aktivitäten dieser Art hat sich der Begriff ‚Science Art‘ eingebürgert.

Herbert W. Franke*

Die Erkenntnisse der Neuroästhetik eröffneten mir Wege zur Interaktion zwischen Wissenschaft und meiner Kunst. Das neue Wissen floß direkt in mein künstlerisches Arbeiten ein. Dadurch veränderte und erweiterte sich meine Kunst. ‚Optische Täuschungen‘, bzw. Op-Art wurde zum Schwerpunkt.

Doch über das bloße Anwenden des erlangten Wissens anderer und die daraus resultierenden Grenzen, wollte ich – wie bereits beschrieben –  irgendwann hinaus. Zumal es mich reizt, bisherige Forschungsergebnisse zu optischen Täuschungen auf den Prüfstand zu stellen.

So lote ich meine Wege und Ziele aus und lese mich – wie soll’s auch anders sein – mal wieder durch Berge von Literatur. Zu meiner Freude entdeckte ich dabei den Begriff künstlerische Forschung, der wohl gerade in den letzten Jahren, auch Dank Bologna, heiß diskutiert wird.

Ein Glücksfall für mich! Die dazu gefundene Literatur bestärkt mich darin, dieses mir bislang noch unbekannte Terrain zu erkunden. Interessant für mich im Besonderen; Wissenschaftler verschiedener Disziplinen arbeiten, wie auch speziell in der Neuroästhetik, direkt mit KünstlerInnen zusammen.

Das ist bereits seit langem ein großer Wunsch; mit
meiner Kunst ein Teil der Forschung zu sein.

Nicht nur bildende Kunst, auch Musik und Literatur werden durch übergreifende Projekte zu ganz neuen Forschungswelten. Eine Entwicklung, auf deren Fortgang ich mich mit Spannung und großer Neugier freue. Welchen Weg meine künstlerische Forschung geht, wird sich zeigen. Ein wichtiger Schritt dabei ist meine Mitgliedschaft in der Society of Artistic Research.

*Corina Caduff: (*1965 in Chur) ist eine Schweizer Kulturwissenschaftlerin und Literaturkritikerin, Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

*Tan Wälchli: (*1974 in Zürich) studierte Germanistik, Geschichte und Anglistik in Zürich und promovierte 2006 mit einer Studie über „Freud als Leser“. Daneben u. a. tätig für das Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik, als freier Journalist, Herausgeber von Kunstpublikationen sowie als Assistent am Englischen Seminar der Universität Zürich.

*Herbert Werner Franke: Österreichischer Wissenschaftler (Physiker), Sachbuch- & Science-Fiction-Autor. Franke ist zudem Pionier der Computerkunst.

Literaturliste

 

    • Henk Borgdorff: The Conflict of the Faculties: Perspectives on Artistic Research and Academia. Amsterdam University Press, 2013, ISBN 978-90-8728-167-0.
    • Sibylle Peters (Hrsg.): Das Forschen aller. Artistic Research als Wissensproduktion zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. transcript, Bielefeld 2013.
    • Daniel Klapsing u. a. (Hrsg.): z.B.- Praxisbasierte Forschung in Kunst & Design. Bauhaus-Universitätsverlag, Weimar 2013, ISBN 978-3-86068-490-0.
    • Martin Tröndle, Julia Warmers (Hrsg.): Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft: Beiträge zur transdisziplinären Hybridisierung von Wissenschaft und Kunst. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1688-0.