Leonardo da Vinci im Visiodrom
15. September 2023
Brigitte Grawe

Über den Gaskessel, seine Geschichte und Architektur habe ich bereits auf meiner Webseite zur Architekturfotografie geschrieben. In diesem Beitrag geht es um die dort aktuell stattfindende Leonardo-da-Vinci Ausstellung.

Die habe ich schon zweimal besucht, bin restlos begeistert.und werde sicherlich noch einige Male dort sein.

Als Künstlerin mit Schnittpunkt Wissenschaften interessierte mich Leonardo da Vinci schon lange ganz besonders. Dazu kommt, dass die Renaissance eine der vielleicht spannendsten Epochen der Menschheit war und ist. Es ist inspirierend für mich, darüber zu lesen.

Ich möchte an dieser Stelle zunächst ein paar Infos über die Renaissance geben, um den damaligen Zeitgeist vor Augen zu führen. Wenn man eine Vorstellung davon bekommt, lässt sich die Ausstellung im Visiodrom noch besser verstehen. Und um die geht es ja eigentlich in diesem Blogbeitrag.

Renaissance

Mit Renaissance bezeichnet man die Kunst- und geistesgeschichtliche Epoche zwischen den Jahren 1400 und 1620. Der Begriff kommt aus dem französischen und bedeutet Wiedergeburt. Kein anderes Wort könnte diese Zeit treffender beschreiben.

Sie war ein idealer Nährboden für ein Genie wie Leonardo da Vinci. Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, wie wohl sein Schaffen verlaufen wäre, hätte er in einer gänzlich anderen Epoche gelebt?

Europas Aufbruch in eine neue Ära

Eine genaue zeitliche Eingrenzung des Übergangs vom Spätmittelalter in die Renaissance ist nicht möglich, Die neue Entwicklung ging von Italien, bzw. Florenz aus und bildete den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.

Es breitete sich in der Folge eine kulturelle Bewegung in ganz Europa aus,. Grundlage war die Wiederentdeckung und Neubetrachutng des Wissens der römischen und griechischen Antike. Bisherige Vorstellungen des Mittlalters wurden infrage gestellt.

Bedeutende Vertreter der Renaissance griffen die antiken Gedanken auf und schufen daraus etwas Neues. In der Folge bildete sich eine andere, menschenwürdigere Weltanschauung heraus, die das Mittelalter weit hinter sich ließ.

Es war definitiv eine weise Intellektualität; mit antikem Wissen im Gepäck in eine völlig neue Zeit zu gehen.

Ein umfassender Wandel kultureller, wissenschaftlicher und sozialer Aspekte führte zu bedeutenden Fortschritten in den Bereichen Kunst, Wissenschaft, Architektur und Philosophie.

Doch was war es genau, was die Renaissance so prägte?

Humanismus

Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Menschlichkeit. Als Urvater des christlichen Humanismus wird der italienische Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca angesehen. Er lebte von 1304 – 1374.

Das Gedankengut des Humanismus wurde jedoch vor allem in der Renaissance verbreitet. Philosophie trennte sich von Theologie und wurde nun “vom Menschen her gedacht”. Der Fokus lag dabei auf dessen Freiheit und Fähigkeiten, rationalem Denken und wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Der Mensch sollte danach allseitig gebildet sein und sich als unabhängige Persönlichkeit frei entfalten. Ein wichtiges Ziel war auch, die breiten Volksschichten aufzuklären. Bessere Grundbedingungen sollten zu einer besseren Gesellschaft führen.

Buchdruck – ein Meilenstein für die Menschheit.

Mit die größte und wichtigste Erfindung der Renaissance erfand Gutenberg 1450 mit dem Buchdruck. Nun konnten wissenschaftliche Schriften leichter vervielfältigt und auch verbreitet werden. Die mühselige, handschriftliche Arbeit war nicht mehr nowendig. Forschung und Lehre veränderten sich dadurch völlig.

Der Buchdruck nahm Einfluss auf alle Lebensbereiche. Informationen und Wissen wurden nun gleichwohl jedem Bürger zugänglich. Zumindest die, die Lesen konnten, erhielten damit ebenfalls neue Chancen.

Gutenbergs Erfindung gilt bis heute als eine der bedeutendsten Leistungen der Menschheit.

Vergleichbar ist diese Bedeutung mit der Einführung des Internets.

Besonders in Wissenschaft, Forschung & Lehre des 20. Jahrhunderts war das Internet durchaus spektakulär. Landesgrenzen und Entfernungen spielten Dank nun unkomplizierter Kommunikationswege keine Rolle mehr. Ein neu aufgestelltes Wissenschaftsnetz zog sich in rasantem Tempo und mühelos über die ganze Welt.

Aber auch dem ‚normalen‘ Bürger eröffnete sich mit dem Internet eine neue Welt der Informationen und Kommunikation. Doch zurück zur Renaissance …

Geburtsstunde der modernen Wissenschaft

Die Renaissance wird auch „Geburtsstunde der modernen Wissenschaft“ genannt. Der wichtigste Schritt war die langsame Trennung der Wissenschaft von (katholischen) Glaubensvorstellungen. Das war im Mittelalter undenkbar.

Beflügelt durch den Buchdruck und die damit verbreiteten, zugänglichen Abhandlungen veränderte sich vieles. Wissenschaften waren im Mittelalter entgegen der Antike rückschrittlich. Das lag an den Auswirkungen der Kriege und Plünderungen in Zeiten der Völkerwanderungen. Gelehrte Menschen starben, Bücher wurden vernichtet. Es gab keine notwendigen Strukturen mehr.

Die Renaissance machte riesige Entwicklungsschritte. Nun war es auch erlaubt, Forschungsergebnisse und Ideen zu veröffentlichen. Andere Wissenschafter lasen diese Schriften, ergänzten um eigene Erkenntnisse oder forschten mit ihren eigenen Ideen daran weiter.

Der Wissensdurst war enorm. Entdeckungsreisen wie beispielsweise die des Christoph Kolumbus’ brachten ein neues Bild von der Welt. Ein ständiges Wachstum an Wissen hatte sich nun in Gang gesetzt und rief neue Disziplinen und Perpsektiven hervor.

Die klassische universitäre Gliederung in Theologie, Rechtswissenschaften und Medizin reichte nicht mehr aus.

Die Kunst erfuhr in der Renaissance eine neue Bedeutung und Anerkennung.  

Um 1400 veränderte sich die bildende Kunst enorm. Malerei und Bildhauerei waren die maßgebenden Bereiche in der Renaissance. Die Gotik des Mittelalters verschwand. Landschaften und Menschen wurden jetzt wirklichkeitsgetreu abgebildet. Portraits bekamen eine neue Bedeutung.

Ein prägendes Merkmal in der Kunst der Renaissance ist die Zentralperspektive. Sie sorgte in der Malerei für revolutionäre Dreidimensionalität.

Anders als im Mittelalter traten nun die Künstler selbst in den Vordergrund. Die wichtigsten Namen dieser Zeit sind: Leonardo da Vinci, Michelangelo, Albrecht Dürer, Raffael und Botticelli. Sie alle haben unvergleichliche Werke erschaffen.

Kunst & Wissenschaft

Viele Künstler der Renaissance eigneten sich wissenschaftliche Kenntnisse an. Sie definierten jetzt ihre Werke als intellektuelle Leistung. Von der bis dahin allein handwerklichen Einordnung konnten sie sich damit distanzieren. Einige Künstler galten bald als Experten in Sachen Naturwissenschaften.

In der Renaissance gingen Naturwissenschaften, Künste und Literatur eine besonders intensive Verbindung ein. Kunst und Wissenschaft entdeckten einander nun ganz neu. Das beiderseitige Bestreben zu erkennen, ‘was die Welt zusammenhält’, führte zu einer fruchtbaren Symbiose.

Homo universale = Universalmensch

Alle Entwicklungen und Erkenntnisse dieser Zeit  führten zu dem Grundgedanken, dass der Mensch immenses Potenzial besitzt. Man sah ihn in der Lage, sich umfassend zu bilden, was enorme Verbesserungen für die Menschheit in unterschiedlichsten Bereichen erzeugen würde.

Aus diesem Denken entwickelte sich das Bild eines universalen Menschen. Das Renaissance-Ideal des “uomo universale” war geboren.

Leonardo da Vinci

Denkt man heute an Universalgenies, haben die meisten von uns gleich den Namen Leonardo da Vinci im Kopf.  Er ist die wohl populärste Verkörperung jener Idealvorstellung und der Symbiose zwischen Kunst und Wissenschaft.

Er war es und ist es bis heute; ein Superstar unter den größten Köpfen und Denkern dieser Welt. Befasst man sich mit seinem Schaffen ist das nicht verwunderlich. Er forschte um zu malen und malte um zu forschen.

Sein Name ist zur Superlative geworden.

Der geniale Maler und Bildhauer schuf nicht nur unvergleichliche Kunstwerke. Er war auch Architekt, Mechaniker und Ingenieur, Anatom und Naturphilosoph. Er betrieb wie kein anderer hochintelligente, visionäre Wissenschaft.

Er brachte technische Konstruktionen hervor, mit denen er seiner Zeit um bis zu 5 Jahrhunderte voraus war. Mehr als 100 Erfindungen werden Leonardo zugeschrieben. Er selber sah in seinen Forschungen die logische Fortsetzung seiner Kunst, die er stets mit der Wissenschaft verbunden sah.

Copyright und Nutzung mit freundlicher Genehmigung der Visiodrom GmbH

Die Ausstellung im Visiodrom

Die Ausstellung im Visiodrom entdeckte ich eher zufällig, weil ich als Fotografin mehrere Tage in Wuppertal zu tun hatte. Im Rahmen meiner Recherchen zur Stadt wurde ich auf den Gaskessel und die neue Ausstellung aufmerksam. Also plante ich den Besuch gleich zum Start der Eröffnung am 23. August.

Für mich war und ist das Visiodroms ein Erlebnis der besonderen Art. Und das wahrsten Sinne des Wortes. Zumal ich noch nie vorher eine immersive Show gesehen hatte. Doch ich will nicht vorgreifen.

Gemälde, Zeichnungen und Erfindungen

Zunächst betritt man die Ausstellungsräumlichkeiten und wird sogleich eingefangen vom Schaffen eines Genies. Überall; von der Decke herab und an den Wänden hängend, in Schaukästen präsentiert, zum Anfassen aufgestellt, mit Texten anschaulich erklärt, findet man sich in der Welt Leonardo da Vincis wieder. Und die ist mehr als beeindruckend …

Ein Highlight an diesem Ausstellungskonzept ist das haptische Erleben. Entgegen in Ausstellungen gängiger Praxis ist Anfassen hier ausdrücklich gewünscht. Die entsprechenden Ausstellungsstücke wurden von der Hochschule Bielefeld zur Verfügung gestellt. Am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik wurden sie im Rahmen des Projekts  „DA VINCI – Bewegende Erfindungen“ gebaut.

Seit vielen Jahren wurden die Exponate dort von studentischen Projektteams nach Skizzen von Leonardo da Vinci erschaffen und damit auch erforscht. Die wichtigstes Frage dabei lautete; wie tauglich waren seine Erfindungen tatsächlich? Ein mit Sicherheit spannendes, wissenschafltiches Arbeiten! In ganz Europa wurden die Ergebnisse inzwischen gezeigt.

Es gibt noch eine weitere Besonderheit der Ausstellung. Wer ein Handy dabei hat, kommt in den Genuss einer digitalen Erlebnistour. Die ausgestellten Modelle können zudem auf dem eigenen Mobiltelefon per QR Code als virtuelle 3D-Modelle ‘mitgenommen’ werden.

Die Show – das Highlight mit Suchtfaktor

Eine Leuchttafel Im Erdgeschoss weist auf die nächste Vorstellung hin. Ist es soweit, begibt man sich mit dem Fahrstuhl in den 5. Stock des Gaskessels. Ich war richtig aufgeregt, gleich das Highlight der Ausstellung zu erleben.Ich konne es kaum erwarten …

Visiodrom – Europas größte zylindrische 360° Leinwand

Das Visiodrom ist definitiv ein Erlebnis der sehr, sehr besonderen Art! Schon das Betreten des runden, sich in 47m Höhe erhebenden zylindrischen Raumes mit 38m Durchmesser ist speziell. Die Atmosphäre hat etwas Erhabenes.

Ringsum bieten Stühle und Sitz-, bzw. Liegekissen den Besuchern ein bequemes, angenehmes Verweilen und Genießen der Show. Die komplett mit Leinwänden ausgestatteten Wände ergeben 6.500 m² Projektionsfläche, 65 Millionen Pixel! 33 Hochleistungsprojektoren sorgen mit Lasertechnik für eine einzigartige Visualisierung jeglicher Themenwelten.

Da kommt keine noch so große Leinwand in Kinosälen heran. Beginnt die Show, wird man magisch in des Geschehen hineingesogen. Begleitet von wunderbarer Musik vergisst man schlagartig alles außerhalb dieses Raumes. Da ist nur noch diese eine, andere, vielfältige und mitreißende Welt, in die man sich fallen lässt.

Und die hat es in sich!

Als ich sah, was da geboten wurde, hat mich das tief berührt. Warum? Da steckt sichtbar ganz viel Herzblut und unvorstellbar viel Arbeit drin! Mit wieviel Liebe zum Detail und Thema, aber auch Wissen und Können haben kreative Köpfe hier etwas Einzigartiges entstehen lassen.

Es ist schwer mit Worten zu beschreiben. Die Show ist ein Kunstwerk für sich. Beinahe spielerisch spiegelt sie das Schaffen Leonardo da Vincis aber auch den Zeitgeist jener Epoche auf atemberaubende Weise wieder.

Und natürlich ist die Technik beeindruckend, mit der da gearbeitet wurde. Gerade als Digitalkünstlerin interessiert mich das ja auch immer sehr. Auch der Kubus in der Mitte des Raumes hat es mir angetan. Er ist ebenso Projektionsfläche, wie die umgebenden Leinwände. Dadurch wird der Gesamteindruck noch verstärkt.

Begleitet mit perfekt abgestimmten Musikstücken beginnt die Show sacht und mit Leichtigkeit. Eh man es merkt, wird man hineingesogen in Bilder, Farben, Bewegung und Klänge die so perfekt miteinander harmonieren. Das Ergebnis ist voller Magie! 18 einzelne, ineinanderfließende Kapitel hat das Kreativteam für diese Show erschaffen.

Besser kann man es nicht machen. Leonardo da Vincis Kunst, seine Erfndungen, die Renaissance; der Zeitgeist jener Epoche; all das wird darin lebendig.

Mein Herz hüpfte und ganz ehrlich; ich hätte abwechselnd quietschen und weinen können vor Begeisterung.

Das Besondere für mich an dieser Show war die Umsetzung des Themas ‘Leonardo & die Renaissance’. So wie ich mir diese Epoche, das Lebensgefühl der Menschen, aber vor allem das Werk und Wirken Leonardo da Vincis immer vorgestellt hatte, fand ich es in dieser Präsentation wieder. Genauso!

Es war schon ein beinahe berauschendes Erleben und Empfinden. Und weil es so einzigartig ist, habe ich mir die Show bei meinem ersten Besuch gleich dreimal angesehen. Danach musste ich erst mal wieder in der Realität ankommen. Das Erlebte hat tagelang nachgewirkt. Mir wurde schnell klar, hier war ich nicht zum letzten Mal.

Schon wenige Tage später war ich erneut im Visiodrom. Diesmal sah ich die Show zweimal und es war defintiv auch dieses Mal nicht mein letzter Besuch. Ich habe schon Verabredungen zu dieser Ausstellung mit Freunden geplant. Ich konnte sie mit meiner Begeisterung anstecken und freue mich schon auf das nächste Mal in Wuppertal. Ich kann es nur empfehlen!

Die Macher

Doch wer sind die genialen Köpfe hinter der Ausstellung eigentlich? Idee und Konzept stammen vom Kreativteam des Visiodroms unter Leitung des Kurators Christian Höher mit Beteiligung der FH Bielefeld. Prof. Dr. Hiram Kümper (Geschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit) von der Universität Mannheim übernahm die wissenschafltiche Begleitung der Ausstellung.
Jeder einzelne Beteiligte hat eine fantastische Leistung erbracht. Ich hoffe sehr, dass sie dafür viele, viele begeisterte Besucher erleben werden. Es ist eine Ausstellung, die bereichert und glücklich macht.
Neugierig geworden?
Habe ich Sie mit diesem Beitrag und meiner Begeisterung angesteckt? Das wäre toll! Sollten Sie ebenfalls die Ausstellung besuchen wollen, empfehle ich den Kauf der Tickets vorab über die Webseite des Visiodroms.

Das erspart zum einen das Anstehen an der Kasse und zum anderen ist die Ausstellung sehr gefragt. Ehe man umsonst anreist, geht man so auf Nummer sicher, tatsächlich hineinzukommen.

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